Der Verband unabhängiger Family Offices
Ein wichtiger Schritt zur Schaffung von Markttransparenz in einem uneinheitlichen Markt
In den letzten Jahren hat sich der Anbietermarkt im Bereich Family Office sehr dynamisch entwickelt. Ob Banken, Vermögensverwalter oder Vermittler, zunehmend mehr Finanzdienstleister haben das, was sie unter Family Office verstehen, zu einem Teil ihres Geschäftsmodells gemacht und treten als Family Office-Anbieter im Markt auf. Auch größere Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften haben das Feld „Family Office“ als sinnvolle Ergänzung zu ihrem Leistungsangebot entdeckt.
Dem dynamischen Wachstum in der Zahl der Family Office-Anbieter steht die Gefahr eines ausufernden Leistungsspektrums der Akteure gegenüber. Der Anbietermarkt entfernt sich immer mehr von der Ursprungsidee, die aus dem Institut des Single Family Office entstand, welches in einer uneingeschränkten und ausschließlich finanzspezifischen Interessenvertretung der betreuten Familie bestand.
Diese Entwicklung ist nicht nur für die eigentlichen Anbieter von Family Office-Leistungen bedenklich, weil sie nicht mehr ohne Weiteres abgrenzbar sind von typischen Finanzdienstleistungsakteuren. Der immer unübersichtlicher werdende Anbietermarkt erschwert es aber vor allem der potentiellen Zielklientel von Family Office-Leistungen, den richtigen Partner für die eigene Familie zu finden.
Um mehr Transparenz im Anbietermarkt zu schaffen, Qualitätsstandards festzulegen, Single wie auch Multi Family Offices eine Plattform für den regelmäßigen Austausch zu bieten sowie die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet des Family Office zu unterstützen, hat sich im März 2013 ein kleine Gruppe von Single und Multi Family Offices auf Einladung von Frau Professor Dr. Yvonne Brückner in Stuttgart zusammengefunden und war sich bereits nach einem ersten Gedankenaustausch darüber einig, einen eigenen Verband für den Berufsstand des Family Office ins Leben zu rufen.
Yvonne Brückner ist sehr rege, wenn es um das Thema „Family Office“ geht. Die frühere Junior-Professorin für „Family Office“ an der Otto Beisheim School of Management (WHU), heutige Inhaberin des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft an der Duale Hochschule Stuttgart, und Leiterin familiale und unternehmerische Vermögensökonomie im Institut für Vergleichende Vermögenskultur und Vermögenspsychologie an der Sigmund Freud Universität in Wien hat sich unter anderem ein für die Praxis wertvolles Ziel gesetzt: Sie will mehr Transparenz im diffusen Family Office-Markt schaffen und zu einem fruchtbaren Dialog zwischen den Akteuren beitragen. Im Rahmen einer breit angelegten Panel-Studie zu Fragen der Vermögensstrategie von Family Offices gelang ihr etwas, was noch niemandem bis dahin geglückt war. Sie brachte diverse Family Office-Anbieter unterschiedlichster Couleur an einen Tisch und in lebhafte Diskussionen miteinander über Sinn, Zweck, Inhalte und Strukturen von Family Offices. Hierbei wurde eins deutlich: Der Wunsch nach einem offenen Dialog zwischen den Akteuren ist bei vielen vorhanden und lässt den konkurrenzbedingten Isolationismus der Anbieter in den Hintergrund treten.
Eine kleine Gruppe Gleichgesinnter und die Idee des Verbandes
Aus den Aktivitäten des Brückner’schen Family Office-Panels hatte sich eine siebenköpfige Gruppe von Offices zusammengefunden und in einem intensiven Gedankenaustausch viele Übereinstimmungen gefunden, was das Selbstverständnis von Family Offices anbelangt.
In der kleinen Gruppe Gleichgesinnter fanden Single wie Multi Family Offices zusammen. Ihnen allen gemein: Sie sind bankenunabhängig. Es dauerte nicht lange, bis alle Beteiligten darin übereinstimmten, dass der fruchtbare und kollegiale Austausch zwischen den Akteuren sowie das Einstehen für gemeinsame Grundregeln breiter aufgestellt und institutionalisiert werden sollten. Die Idee der Gründung des Verbandes entstand.
Der Hintergrund der Gründungsinitiative
Was einst vor Jahrzehnten in den USA mit der Idee der Etablierung eines eigenen Finanzbackoffices zur Steuerung des Familienvermögens einzelner Industriemagnaten als Single Family Office begann, fand vor rund 20 Jahren viele Nachahmer im deutschen Finanzdienstleistungsmarkt. Heute ist der Anbietermarkt vielschichtig: Es finden sich unabhängige Single und Multi Family Offices, Banken und Vermögensverwalter, die Family Office-Leistungen anbieten, und vermehrt auch Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die sich dieses Beratungsfeld erschlossen. Auch typische Kapitalanlagenvermittler bieten mittlerweile ein Family Office-Angebot an.
Hieraus ergeben sich zwei Problemfelder: Erstens hat es die Familie, die für die Verwaltung ihres Vermögens eine externe Family Office-Struktur sucht, im intransparenten Markt der vielen Anbieter schwer, den passenden Partner zu finden. Zweitens sind weder der Begriff „Family Office“ noch die dahinter stehende Institution geschützt. Viele Marktteilnehmer haben sich zu sehr von der Grundidee des unabhängigen, nur an den Interessen der Familie orientierten Finanzbackoffice entfernt und sehen Family Office als willkommene Gelegenheit des verstärkten Platzierens hauseigener Anlageprodukte.
Der Verband unabhängiger Family Offices soll hier auf unterschiedlichen Ebenen Abhilfe und für seine Mitglieder in mehrfacher Hinsicht einen Nutzen schaffen.
Der Verband als Wächter über ethische Grundregeln und Qualitätsstandards
Der Verband wird sich für die Entwicklung allgemein anerkannter ethischer Grundregeln und Qualitäts-Anforderungen einsetzen. Hierzu gehören Interessenkonfliktfreiheit in der Betreuung, ganzheitliche Ausrichtung der Vermögenssteuerung über alle Assetklassen hinweg und somit eine Enthaltung jedweden Produktvertriebs. Nur wer diese Kriterien erfüllt, hat dort auch einen Platz als Mitglied. Zudem sollen die vom Verband formulierten Standards verbandübergreifend wirken, damit der Vermögensinhaber bei der Suche nach einem neutralen und leistungsstarken Family Office eine Orientierungshilfe erhält.
Der Verband steht für Transparenz im Sinne des Vermögensträgers
Der Verband soll dabei helfen, Transparenz in den Anbietermarkt zu bringen und die einzelnen Anbietergruppen besser voneinander abzugrenzen. So können sich Verbraucher einen Überblick über die Marktstrukturen und die Akteure verschaffen.
Der Verband als Plattform für den interdisziplinären Austausch
Der Wunsch nach einem kollegialen Austausch ist bei allen Beteiligten groß. Trotz allem Wettbewerb untereinander gibt es doch genügend Themen und Herausforderungen im Dienstleistungsbereich Family Office, die gemeinsam besser gelöst werden können als durch ein Family Office alleine. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Family Offices z.B. werden immer komplexer, unübersichtlicher und ein Stück weit realitätsfremder. Hier möchte der Verband gegenüber seinen Mitgliedern Aufklärungsarbeit leisten und zugleich deren Interessen öffentlichen Gremien und Behörden gegenüber vertreten.
Auch der Austausch zu Allokationsfragen, zu den richtigen Adressen von Experten in besonderen Beratungsfeldern bis hin zur Entwicklung gemeinsamer Projekte können Felder darstellen, in denen der Verband eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern schaffen kann.
Unabhängigkeit als wichtiges Abgrenzungskriterium
Unabhängigkeit ist ein wichtiger Garant für Interessenkonfliktfreiheit eines Family Office. Der Verband möchte sich bewusst auf Mitglieder konzentrieren, die nicht Teil einer übergeordneten Institution sind – und daher Family Office nur als einen Geschäftsbereich von vielen betreiben – und die keinem Vertrieb von Anlageprodukten nachgehen. Das heißt aber nicht, dass der Verband den Dialog mit den Family Office-Einheiten von Banken und Steuerberatern nicht schätzen würde. Im Gegenteil, auch mit diesen Anbietern verbinden sie gemeinsame Anliegen und Themen, sodass ein Zusammenwirken in vielen Fragestellungen wertvoll sein wird.
Fazit
Die Initiative zur Gründung des gemeinsamen Verbandes als Interessenvertreter der eigenen Mitglieder, aber auch der Nachfrager nach Family Office-Leistungen war nach Auffassung seiner Gründungsmitglieder eine zeitgemäße Entwicklung. Vielleicht hätte sich durch eine frühere Formierung einer Interessengemeinschaft manche nicht ganz optimale Entwicklung am Anbietermarkt verhindern lassen. Die Gründungsmitglieder haben sich viel vorgenommen, aber der Nutzen künftiger Verbandsarbeit ist für alle Beteiligten groß und wird sicherlich einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den Markt transparenter, qualitativ hochwertiger und verlässlicher zu machen.